Lesekompetenz & Leselust

Lesekompetenz und Leselust – beides soll durch die Autorenbegegnungen des Friedrich-Bödecker-Kreises NRW e.V. angeregt werden. Dieser Aussage lässt sich die Frage anschließen, was Lesekompetenz denn eigentlich sei und wie Leselust damit zusammenhängt. Beides wird in der Fachliteratur breit und kontrovers diskutiert. An dieser Stelle möchten wir die wissenschaftlichen Diskurse nicht detailliert aufgreifen, sondern lediglich eine Idee davon geben, wie vielschichtig Lesekompetenz sein kann und wieso der Leselust eine besondere Rolle in der Leseförderung zukommt.

Lesekompetenz

Zum Lesen von Texten müssen bestimmte Teilprozesse erfüllt werden (Richter, Tobias/Christmann, Ursula 2002):

  • Buchstaben- und Worterkennung
  • syntaktische und semantische Analyse der Sätze und Wortfolgen
  • übergreifende Identifikation der kohärenten Textstruktur
  • Einordnen von Texttypen/-gattungen
  • Erkennen rhetorischer Strategien

Angenommen wird zudem, dass die verschiedenen Teilprozesse des Leseprozesses miteinander interagieren (Richter, Tobias/Christmann, Ursula 2002).

Nach der den PISA-Tests zugrundeliegenden Definition umfasst Lesekompetenz dabei aber keineswegs nur das reine Textverstehen, sondern auch die aktive Auseinandersetzung mit Texten und ihrer Bedeutung (Garbe, Christine 2006a) und lässt sich daher in folgende Teilkompetenzen einteilen:

  • Informationen ermitteln
  • Textbezogenes Interpretieren
  • Reflektieren und Bewerten

Mitunter werden die kognitiven und reflexiven Elemente der Lesekompetenz zudem um „subjektive Beteiligung“ und Motivation ergänzt (Rosebrock, Cornelia 2003).

Unabhängig davon, auf welche Definition von Lesekompetenz man sich beziehen mag, deutlich wird in jedem Fall, dass Lesen mehr ist als bloßes Buchstabenerkennen, dass es sich beim Umgang mit Texten also um sehr „komplexe Vorgänge handelt“ (Bertschi-Kaufmann, Andrea 2007).

Leselust

Eine besondere Rolle bei der Förderung der Lesekompetenz wird der Lesemotivation, dem Leseinteresse, der Lesefreude zugeschrieben. So vielfältig wie die Begriffe sind auch hier die Defintionen:

So kann etwa zwischen der aktuellen und der gewohnheitsmäßigen Lesemotivation unterschieden werden, je nachdem, ob von der Motivation gesprochen wird, ein bestimmtes Buch in einem bestimmten Moment zu lesen oder generelle Motivation zu lesen besteht (Möller, Jens/Schiefele, Ulrich 2004).

Die Motivation kann durch die unmittelbar mit dem Lesen verbundene Freude oder auch dem Interesse an einem spezifischen Thema bedingt sein (Möller, Jens/Schiefele, Ulrich 2004).

Je nachdem, ob der Leser die Motivation aus sich selbst heraus hat – also etwa durch den Spaß des Lesens – oder ob die Motivation von außen an ihn herangetragen wird – zum Beispiel um gute Noten zu bekommen oder einen guten Eindruck zu hinterlassen – wird außerdem mitunter zwischen intrinsischer und extrinsischer Lesemotivation unterschieden (Möller, Jens/Schiefele, Ulrich 2004).

Die verschiedenen Definitionen der Lesemotivation und des Leseinteresses sollen hier nicht weiter ausgeführt werden, aber deutlich machen, dass auch die Lesemotivation ein komplexer Begriff ist. Der Friedrich-Bödecker-Kreis NRW e.V. will vor allem die intrinsische Lesemotivation steigern, also die Freude am Lesen, den lustvollen Umgang mit Sprache und literarischen Texten.

Wechselseitige Wirkungen von Lesekompetenz und Leselust

In den PISA-Studien wurde ein hoher Zusammenhang zwischen „Interesse am Lesen“ und „Leseleistung“, also zwischen Leseinteresse und Lesekompetenz ermittelt (Garbe, Christine 2006a). Das legt einerseits den Schluss nahe, dass hohe Lesemotivation eine Ursache für gute Lesekompetenz ist (Möller, Jens/Schiefele, Ulrich 2004). Andererseits wird vermutet, dass Lesekompetenz auch die Lesemotivation erhöht, da Lesen vor allem dann Spaß macht, wenn man es kann.

Statt der direkten Verbesserung der Lesekompetenz kann Leseförderung demnach auch an der Lesefreude ansetzen (Möller, Jens/Schiefele, Ulrich 2004). Wer Lust hat zu lesen, wird auch häufiger lesen. Wer häufiger liest, trainiert seine Lesekompetenz. Wer besser lesen kann, hat größere Freude am Lesen.

Der Friedrich-Bödecker-Kreis NRW e.V. setzt mit den Autorenbegegnungen besonders bei der Förderung der Leselust an und will damit den Kreislauf zwischen Leselust und Lesekompetenz in Gang setzen.

Quellen:

Bertschi-Kaufmann, Andrea (2007): Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung, in: Bertschi-Kaufmann, Andrea (Hrsg.): Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung: Grundlagen, Modelle und Materialien, Klett und Balmer Verlag.

Garbe, Christine (2006a): Lesekompetenz als Schlüsselqualifikation in der Mediengesellschaft. PISA und IGLU las Herausforderung für eine systematische Leseförderung, in: Gläser, Eva/Franke-Zöllmer, Gitta (Hrsg.): Lesekompetenz fördern von Anfang an: Didaktische und methodische Anregungen zur Leseförderung, Schneider Verlag Hohengehren GmbH.

Möller, Jens/Schiefele, Ulrich (2004): Motivationale Grundlagen der Lesekompetenz, in: Schiefele, Ulrich et al. (Hrsg.): Struktur, Entwicklung und Förderung von Lesekompetenz: Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000, VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Richter, Tobias/Christmann, Ursula (2002): Lesekompetenz: Prozessebenen und interindividuelle Unterschiede, in: Groeben, Norbert/Hurrelmann, Bettina (Hrsg.): Lesekompetenz – Bedingungen, Dimensionen, Funktionen, Juventa Verlag.

Rosebrock, Cornelia (2003): Wege zur Lesekompetenz, in: Beiträge Jugendliteratur und Medien, 55. Jg., 2/2003, S. 85-95.

"Autorenbegegnungen
sind wie Leuchttürme in den
Sturmfluten des Unterrichts."

Jürgen Banscherus